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Storytelling – Als ich erkannte, dass meine Lügen nur übertrieben schön erzählte Wahrheiten waren.

Hände hoch – wer hat als Kind nie gelogen? Danke, Sie können die Hände gleich oben lassen, denn nun bitte ich all jene die Hände zu heben, die noch nie gelogen haben – und da gehören Sie definitiv dazu.

Jeder hat als Kind die Erfahrung gemacht, dass man ab und zu mit einer Lüge besser davonkommt, als wenn man die Wahrheit sagt. 

„Hast du die Vase umgeworfen?“
„Nein Mami, das war ich nicht!“
„Na wer soll es denn dann gewesen sein?“
„Der Wind hat sie umgeworfen, Mami!“
„Sicher?“
„Jaaa!“

Und schon war es erledigt – in den meisten Fällen jedenfalls. Und je treuherziger wir geschaut haben, umso eher ließ man uns die ein oder andere offensichtliche aber auch irgendwie entzückende Lüge einfach durchgehen und erzog uns dadurch zu einem ausgewachsenen Lügner und Betrüger. Nun, so schlimm ist es dann auch wieder nicht, aber wir haben gelernt, dass lügen das Leben manchmal leichter macht.

Hände hoch – wer als Kind nie gelogen hat. Ich hätte diesen Beitrag nicht weiterschreiben können, hätte ich diese Frage an mich selbst gerichtet, denn voll Euphorie hätte ich beide Hände hoch gegen den Himmel gestreckt. Ja, ich habe gelogen und auf den ersten Blick denke ich, ich habe überdurchschnittlich viel gelogen als Kind. Manchmal habe ich gut gelogen, ein anderes Mal wieder unglaublich schlecht. Manchmal waren es kleine Lügen und dann wieder ganze Geschichten, die sich so nicht zugetragen haben, wie ich sie erzählt habe. Und wenn es nicht gerade eine Lüge war, mit der ich mich aus einer prekären Situation retten musste, hatte ich immer viel Spaß dabei.

„Du sollst nicht lügen“ – also abgesehen davon, dass das irgendwo steht und oft gepredigt wird, hörte ich es auch schon mal von meinen Eltern, meiner Lehrerin und anderen Erwachsenen, die meinen Geschichten keinen Glauben schenkten. Aber nicht immer wenn ich eine Geschichte erzählte, stand man mit erhobenem Zeigefinger vor mir und mahnte mich zur Wahrheit. 

Es kam ganz oft vor, dass ich Erstaunen, Lachen oder Interesse erntete und das war meine Motivation, mit dem „Lügen“ auch nicht aufzuhören. Ich konnte mit meinen Geschichten Menschen emotional erreichen und das gefiel mir.

Viele Jahre später wurde mir klar, dass ich in den meisten Fällen gar nicht log. Ich erzählte Geschichten nur maßlos übertrieben, machte scheinbar unwichtige Nebenhandlungen zu wichtigen Faktoren meiner Story und schmückte meine Erzählung aus, wo ich nur konnte.

Als Lügner war ich also nicht viel schlimmer als andere Kinder – als Storyteller jedoch habe ich mich schon sehr, sehr früh geübt.

Die unsinkbare Titanic

Wirklich gute Geschichten haben einen interessanten, lustigen, beängstigenden, traurigen, spannenden oder anders gesagt, irgendeinen emotionalen Kern. Um sie aber zu einem wahren Kassenschlager zu machen, ist es notwendig, ein wenig zu übertreiben, auszuschmücken oder gar dazu zu erfinden oder glauben Sie wirklich, dass jede verfilmte Biographie sich exakt so zugetragen hat, wie sie vom Autor erzählt wird? Natürlich nicht! Aber ein guter Geschichtenerzähler oder Filmemacher schafft es, bei all dem Geflunker ziemlich nah an der Wahrheit zu bleiben – an der persönlichen Wahrnehmung des Protagonisten.

Die Titanic zum Beispiel. In meinem Leben habe ich über die Titanic schon viele Geschichten und Berichte gelesen sowie Filme und Dokumentationen gesehen. Und auch wenn sie sich alle voneinander unterschieden, waren sie doch alle – oder fast alle – gleichermaßen spannend. Es kommt – und das zum Glück – auch nicht jeden Tag vor, dass ein Schiff, welches als unsinkbar gilt, aufgrund einer persönlichen Fehleinschätzung einen Eisberg rammt, sinkt und 1514 Menschen mit in Tod reißt. 

Man kann diese Geschichte noch so langweilig erzählen, wird sie beim ersten Mal immer eine Emotion auslösen, denn die Geschichte an sich hat schon einen sehr emotionalen Kern. Und auch wenn sie  allseits bekannt ist, wird sie immer wieder neu in Szene gesetzt und immer noch ein bisschen spektakulärer erzählt. 

James Cameron hat 1997 die bisher letzte und aufwendigste Verfilmung der Geschehnisse vom 14. April 1912 auf die Leinwand gebracht. Die Recherchen zu diesem Film übertrafen alles, was bisher in der Filmbranche üblich war. Das Schiff wurde nicht nur innen sowie außen exakt nach alten Plänen nachgebildet, selbst kleinste Details, wie Geschirr und Besteck im Speisesaal der ersten Klasse, entsprachen im Film der Realität. Cameron stieg mit einem Spezial-U-Boot die rund 3.800 Meter zum Wrack der Titanic ab, um den Film möglichst nah an der Wahrheit zu gestalten. Dass er das Filmmaterial später für einige Dokumentationsfilme über die Titanic nutzte, sei nur nebenbei erwähnt.

Und dann war da noch die Geschichte von Rose und Jack. Es war eine emotionale Geschichte über Klassenunterschiede und die große Liebe, gepaart mit einer gehörigen Portion Drama. Doch diese Geschichte existierte in Wirklichkeit gar nicht. Sie wurde als Mainstory eingebettet zwischen den wahren Ereignissen dieser kalten Aprilnacht. Dennoch brachten Rose und Jack viele Menschen dazu, über die Ereignisse dieser Nacht nachzudenken und sich immer wieder daran zu erinnern.

Aufwendige Special Effects und ein großes Aufgebot an interessanten Schauspielern in historischen Rollen trugen ebenfalls dazu bei, dass die Geschichte der Titanic – und hier spreche ich nicht von der Story – der ganzen Welt ein Stück nähergebracht wurde.

Machen Sie Ihre Geschichte zu Ihrer Story

Also, wenn Sie jetzt warten bis Ihnen eine Geschichte passiert, die sogleich auch eine gute Story ist, können Sie lange warten. Es gibt sie schon, die Geschichten, die ohne viel Beschönigungen aus- beziehungsweise ankommen – aber sie sind selten.

Es gibt jedoch sicher auch in Ihrem Leben eine Menge Geschichten, die es sich lohnt zu erzählen. Um diese Geschichten für den Leser interessant zu machen, muss man eventuell in die Ausführung der Erzählung etwas eingreifen, ohne daraus gleich eine Baron-Münchhausen-Story zu machen. Es gibt ein paar Richtlinien, die man einhalten sollte.   

Mein Tipp: 

Eine Story muss glaubwürdig sein.
Eine Story muss relevant für die Zielgruppe sein.
Eine Story muss Emotionen auslösen.

Dann darf auch ein wenig geflunkert werden, aber im besten Fall hat eine Story immer einen wahren Kern und wird mit Begeisterung erzählt, um viele Menschen zu erreichen.

Und nun ran an den Stift oder an den Computer, halten Sie Ihre Story fest und wenn Sie der Meinung sind, diese sei langweilig, dann lassen Sie mich mal ein Auge drauf werfen – es würde mich wundern, wenn wir nicht auch Ihre Geschichte zu einem Blockbuster machen könnten.

In diesem Sinne

Servus mit´nader

Euer Alexander

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